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Pharmakogenetik Teil 2: Warfarin

International gehört der Blutgerinnungshemmer Warfarin zu den wichtigsten Arzneistoffen, für die ein deutlicher Einfluss der Pharmakogenetik auf Wirksamkeit und Sicherheit der Therapie diskutiert wird. Die Hauptwirkform von Warfarin, das S-Enantiomer, wird hauptsächlich über das Enzym CYP2C9 verstoffwechselt, von dem einige Polymorphismen bekannt sind. Aber auch für die Zielstruktur des Arzneistoffs, die Untereinheit 1 des Enzyms Vitamin-K-Epoxid-Reduktase (VKORC1) ist bekannt, dass genetische Variationen auftreten.

Für Warfarin ist in der Regel eine individuelle Dosisanpassung nötig, da Patienten sehr verschieden auf den Wirkstoff reagieren. Klinisch kann es bei schlechter Anpassung dazu kommen, dass vermehrt Blutungen auftreten oder Thrombosen bzw. Embolien nicht sicher verhindert werden. Deshalb sind bei den Patienten häufige Blutuntersuchungen (Bestimmung des INR-Wertes) notwendig, um die Dosis aktuell entsprechend anzupassen.

In retrospektiven Analysen wurde unter anderem ein Zusammenhang mit verschiedenen genetischen Polymorphismen hergestellt. Die Fachinformationen von Warfarin-Produkten in de USA enthalten auf Basis dieser Studien entsprechende Hinweise, wie die Startdosis in Abhängigkeit von verschiedenen Polymorphismen gewählt werden sollte. In der Praxis spielen aber vermutlich weitere Faktoren ebenfalls eine Rolle: Dazu gehören etwa Alter, ethnische Zugehörigkeit, Begleitmedikation und Komorbiditäten. Experten schätzen, dass nur etwa 30 bis 40 Prozent der Variationen in den benötigten Warfarin-Dosierungen über genetische Polymorphismen in CYP2C9 oder VKORC1 erklärbar sind.

Welche Auswirkungen die Pharmakogenetik auf die Wirkung von Warfarin in der Praxis hat, wurde inzwischen auch in prospektiven randomisierten kontrollierten Studien (RCT) untersucht - allerdings größtenteils mit ernüchterndem Ergebnis. Eine kürzlich erschienene Metaanalyse in JAMA Int Med hat die Studien mit Warfarin bzw. den verwandten Substanzen Phenprocoumon (das in Deutschland eingesetzt wird) und Acenocoumarol zusammengefasst. Das Fazit: In den 9 RCT fand sich kein Hinweis darauf, dass eine Dosisfindung auf der Basis von genetischen Algorithmen einen Vorteil gegenüber dem herkömmlichen klinischen Verfahren (INR-Test plus Dosisanpassung) hätte - weder im Hinblick auf die Wirksamkeit noch auf die Sicherheit.

Ein begleitender Kommentar rät deshalb vom Routine-Einsatz einer genetischen Testung im Rahmen einer Warfarin-Therapie ab. Trotzdem will der Kommentator die Hoffnung noch nicht ganz aufgeben, dass pharmakogenetische Parameter zukünftig vielleicht doch hilfreich sein könnten. Allerdings mit einer großen Einschränkung:
Evidence of improved clinical outcomes, not biological plausibility or hype, should drive the adoption of genetic tests into practice.
Dem ist nichts hinzuzufügen.

JAMA Intern Med. Published online June 16, 2014. doi:10.1001/jamainternmed.2014.2368

JAMA Intern Med. Published online June 16, 2014. doi:10.1001/jamainternmed.2014.1227