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Pharmakogenetik Teil 4: Clopidogrel

Clopidogrel ist ein Thrombozytenaggregationshemmer und wird u.a. zur Sekundärprävention bei einem akuten Koronarsyndrom bzw. nach Stentimplantation verordnet. Der Arzneistoff ist ein Prodrug und wird über eine Reihe von Enzymen in die aktive Wirkform überführt. Dazu gehört auch CYP2C19, für das eine Reihe von Polymorphismen bekannt sind. Einige dieser Varianten führen dazu, dass die betreffenden Patienten Clopidogrel nur unzureichend aktivieren können ("poor metabolizer"). Epidemiologische Studien haben Anhaltspunkte dafür geliefert, dass ein Zusammenhang zwischen dem CYP2C19-Genotyp und dem klinischen Ansprechen auf Clopidogrel besteht. Allerdings waren die Ergebnisse dieser Studien nicht immer konsistent.

Große Metaanalysen (z.B. 1,2) haben einen Nutzen der Genotypisierung vor der Therapie mit Clopidogrel in Frage gestellt. Die Autoren weisen darauf hin, dass die untersuchten Studien sehr heterogen waren (etwa im Hinblick auf das kardiovaskuläre Risiko der Patienten) und häufig nur relativ wenige Probanden einschlossen. Für die Diskrepanzen zwischen den Metaanalysen und früheren Untersuchungen werden verschiedene Ursachen als Erklärungsversuche herangezogen: So wurden besonders in frühen Studien Surrogatparameter untersucht wie die Konzentration an aktivem Metabolit oder der Reaktivität der Thrombozyten statt „harter“ klinischer Endpunkte (etwa kardiovaskuläre Mortalität oder Rate an Herzinfarkten). Auch deuten die Auswertungen der Metaanalyse darauf hin, dass unter Umständen nicht alle relevanten Studien veröffentlicht sind (Publikationsbias). Außerdem wird vermutet, dass neben CYP2C19 Polymorphismen anderer Enzyme sowie nicht-genomische Faktoren (etwa Rauchstatus) zu dem unterschiedlichen Ansprechen auf Clopidogrel führen können.

Ein weiterer Erklärungsversuch zielt darauf ab, dass das Vorliegen eines bestimmten Genotyps eventuell nur bei Hochrisiko-Patienten (etwa bei Patienten, deren akutes Koronarsyndrom [ACS] mit einer PCI behandelt wurde) klinisch relevante Auswirkungen hat. Allerdings ist die Evidenz aus prospektiven randomisierten Studien dafür derzeit noch sehr dünn (3). Deshalb sind etwa auch die amerikanischen Kardiologen in einer aktuellen Leitlinie eher zurückhaltend (4):
On the basis of the current evidence, it is difficult to strongly recommend genotype testing routinely in patients with ACS, but it might be considered on a case-by-case basis, especially in patients who experience recurrent ACS events despite ongoing therapy with clopidogrel.
Prospektive Studien zu dieser Frage werden aber gerade durchgeführt und werden hoffentlich weiteren Aufschluss liefern. Derzeit scheint es aber keine ausreichende Evidenz für eine breit angelegte genetische Testung vor dem Einsatz von Clopidogrel zu geben.

1) Bauer et al. Impact of CYP2C19 variant genotypes on clinical efficacy of antiplatelet treatment with clopidogrel. BMJ 2011; 343:d4588
2) Holmes. CYP2C19 genotype, clopidogrel metabolism, platelet function, and cardiovascular events. JAMA 2011; 306:2704–2714
3) Perry et al. Pharmacogenomics of Anti-platelet Therapy: How much evidence is enough for clinical implementation? J Hum Genet. Jun 2013; 58(6): 339–345.
4) 2012 ACCF/AHA Focused Update of the Guideline for the Management of Patients With Unstable Angina/Non–ST-Elevation Myocardial Infarction