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Lesetipp: Zusatznutzen neuer Arzneimittel

Nicht alle neuen Arzneimittel, die auf den Markt kommen, haben tatsächlich einen Zusatznutzen für Patient*innen. Eine quantitative Übersicht zu Daten, die das IQWiG im Rahmen der AMNOG-Verfahren gesammelt hat, ist kürzlich im BMJ erschienen. Darin werden die Ergebnisse von 216 Bewertungen aus den Jahren 2011 bis 2017 (ohne Orphan Drugs) präsentiert:*

  • kein Zusatznutzen: 53 %
  • geringerer Nutzen: 0 %
  • nicht-quantifizierbarer Zusatznutzen: 6 %
  • geringer Zusatznutzen: 15 %
  • beträchtlicher Zusatznutzen: 25 %
  • erheblicher Zusatznutzen: < 1 %
Sehr aufschlussreich sind auch die zusätzlichen Auswertungen: So sind die meisten neuen Wirkstoffe im Bereich der Onkologie auf den Markt gekommen. Arzneistoffe ohne Zusatznutzen finden sich besonders häufig in der Psychiatrie/Neurologie sowie Diabetologie. Die Autor*innen argumentieren, dass dafür auch teilweise die Zulassungsanforderungen verantwortlich sind, die in diesen Indikationen häufig Studien mit ausschließlicher Placebo-Kontrolle erfordern bzw. erlauben, obwohl gut wirksame Mittel auf dem Markt sind und aktive Kontrollen eine sinnvolle und umsetzbare Alternative wären. 

Dass niedrigere Hürden bei der Zulassung durch Post-Marketing-Studien ausgeglichen werden könnten, sehen die Autor*innen kritisch. Auswertungen haben gezeigt, dass die Hersteller diese häufig nicht durchführen bzw. doch durchgeführte Studien dann zu keinem positiveren Ergebnis kommen.

Die Autor*innen schlagen aber einige Vorgehensweisen vor, mit denen sich die Situation verbessern ließe:
  • In den Zulassungsstudien sollte robustere Evidenz produziert werden, die auch die notwendigen Daten für die HTA-Bewertungen enthält. Dazu gehört auch die Verwendung aktiver Kontrolle, wenn vorhanden und möglich.
  • Kostenträger könnten diese Entwicklung unterstützen, indem sie Anreize setzen für Evidenz mit geringerer Unsicherheit und höherem Patientennutzen.
  • Auch die Gesundheitspolitik wird angesprochen: Sie sollte Maßnahmen implementieren, mit denen mehr Forschung für relevante Bereiche stattfinden kann. Exemplarisch wird hier die Initiative der WHO zur Verbesserung der Forschung im Bereich der Antibiotika-Entwicklung sowie die "Drugs for Neglected Diseases initiative" genannt. 

BMJ 2019;366:l4340


* Noch etwas aktuellere Zahlen (inkl. Orphan Drugs) finden sich übrigens auf der IQWiG-Seite im Jahresbericht 2018. Darin sind die 288 Bewertungen bis 31.03.2019 ausgewertet:
  • kein Zusatznutzen:  58 %
  • geringerer Nutzen: 1,7 %
  • nicht-quantifizierbarer Zusatznutzen: 8,3 %
  • geringer Zusatznutzen: 8,3 %
  • beträchtlicher Zusatznutzen: 16,3 %
  • erheblicher Zusatznutzen: 7,6 %