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Kongress-Splitter - EbM-Kongress Teil 1: Keynote "How to make clinical research more useful"

In der guten Tradition der Kongress-Splitter soll es in den nächsten Posts um den diesjährigen EbM-Kongress gehen, der letzte Woche (13.-15.02.2020) in Basel stattgefunden hat. Schwerpunkt sind die vier Keynotes, die verschiedene Facetten des Kongressthemas "Nützliche patientenrelevante Forschung" beleuchtet haben. Wer mehr Details wissen will: Auf Twitter gibt es unter dem Hashtag #ebmcon20 einige Einblicke.

Heute geht es um die erste Keynote: "How to make clinical research more useful" von Shaun Treweek von der Universität Aberdeen und Mitbegründer der "Trial Forge"-Initiative.

Dass nicht alles, was so in den medizinischen Fachzeitschriften steht, tatsächlich auch für eine bessere Gesundheitsversorgung taugt, ist keine neue Erkenntnis. Traurig ist aber, dass die Einschätzung von Doug Altman "The scandal of poor medical research" heute immer noch aktuell ist.



Auch an den Ursachen dafür hat sich seit 1994 nicht viel geändert:



So zeigte Shaun Treweek einige Beispiele von Cochrane Reviews zu hochrelevanten Fragestellungen, die zum Schluss kamen: Der verfügbare Evidenz kann nur ein hohes Biasrisiko bescheinigt werden und die Schlussfolgerungen sind deshalb nicht zuverlässig.



Allerdings gibt es nach Treweek einige Möglichkeiten, die Situation zu verbessern. Diese richten sich an alle Forschenden, aber auch an diejenigen, die die Ressourcen dafür zur Verfügung stellen oder die Forschungsergebnisse publizieren:


  1. Wissen, was wichtig ist - und sich bei den Forschungsfragen von diesen Prioritäten leiten lassen. Hilfestellungen dazu finden sich etwa bei der James Lind Alliance, die gemeinsam mit Patient*innen evaluiert, welche Forschungslücken bestehen und welche Fragen dringend beantwortet werden müssten. Auch Leitlinien geben darüber in einigen Fällen Aufschluss, manchmal gibt es auch explizite Calls von Forschungsförderern, etwa dem NIHR im United Kingdom.
  2. Wissen, was bereits erforscht wurde - und das beispielsweise vor Beginn der Studie in einem systematischen Review zusammenfassen. Auch manche Forschungsförderer machen diese Auflage bereits - aber noch lange nicht alle. Das hat eine vergleichende Untersuchung, die 2017 publiziert wurde, festgestellt.
  3. Das Studiendesign an den Bedürfnissen der Nutzer*innen ausrichten - um welche konkreten Entscheidungen und Fragen geht es in dem Bereich, in dem die neue Studie durchgeführt werden soll? Nutzer*innen sind etwa die Patient*innen, Gesundheitsberufe oder politische Entscheider*innen, nicht die Forschenden, die die Studie durchführen. Wenn diese Orientierung fehlt oder systematische Reviews zum Thema beim Studiendesign ignoriert werden, ist das Risiko groß, dass Forschungsmüll entsteht. Das zeigt etwa das Beispiel von Interventionen zur Schmerzreduktion bei der Injektion von Propofol. Im Jahr 2000 hatte ein systematischer Review Wissenslücken und damit auch Fragen aufgezeigt, die weitere Forschung klären müsste. In einer Nachfolge-Untersuchung analysierten die Autor*innen, ob nachfolgende Studien diese Fragen adressierten. Das bedenkliche Ergebnis: Nur etwas mehr als ein Drittel der 136 neuen Studien wurden anhand ihres Designs als klinisch nützlich eingestuft, die anderen adressierten die identifizierten Forschungslücken (Vergleichsinterventionen, Population) nicht.
  4. Den Prozess bedenken - woher wissen wir, dass der angedachte Weg auch tatsächlich der beste ist, also zum Beispiel wie sich Patient*innen für die Teilnahme an der Studie gewinnen lassen? Um mit Studien auch Meta-Informationen für solche Fragestellungen generieren zu können, wurden "Studies within a trial (SWAT)" entworfen. Das Konzept beschreibt ein Guidance Document und es existiert auch ein Register von durchgeführten SWAT. Ein ähnliches Konzept gibt es auch für Studien zur effizienten Durchführung von systematischen Reviews.
  5. Forschung ist ein Team-Sport. Treweek betonte, dass die Beteiligung von Statistiker*innen Forschungsprojekte fast immer besser macht. Und auch die Rolle von Patient*innen darf nicht unterschätzt werden.